Christine Matschke für Offensive Tanz für junges Publikum
HARVEST
Interview mit Isabelle Schad
14.09.2021
Christine Matschke für Offensive Tanz für junges Publikum
14.09.2021
Isabelle, Du hast eine besondere Vorliebe für Materialien. Seit „Unturtled #1“ (2010) arbeitest Du mit weiten Kleidungsstücken und langen Stoffbahnen. Für „Der Bau – Gruppe“ (2014), von dem es mittlerweile auch zwei Kinderadaptionen gibt, hast Du Sitzsäcke benutzt. In „Harvest“, Deiner ersten Produktion für junges Publikum, tanzen die Performer*innen mit Weidenzweigen. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe nach einem natürlichem Material gesucht, das man recyceln und mit dem man nachhaltig arbeiten kann. Also nach etwas, das in gewisser Weise lebendig bleibt. Als wir die große Weide im Garten der Wiesenburg heruntergeschnitten haben, war das faszinierend. Es entsteht von ganz allein eine schöne Proportionalität: wie viele lange große Äste es dann gibt und wie viele mittlerer Länge entstehen, die peitschenartiger und biegsamer sind, und wie viele kleine Zweige dann noch bleiben. Die Mengenverhältnisse waren von der Natur quasi "vorstrukturiert". Wir haben dann alles nach Größen sortiert und gebündelt wie bei einer Ernte. Dieses ganze Handling des Materials, damit umzugehen, sich Zeit zu lassen, das war ein wichtiger Faktor für die Arbeit.
Welchen Einfluss hatte das Weidenmaterial dabei auf Eure Bewegungen bzw. welche Bewegungen habt Ihr gefunden, um mit diesem für Euch noch neuen Material tanzen zu können?
Vielfach ging es darum, wie man diese Bündel transportieren, wie man sie greifen kann. Welche Geräusche sie erzeugen und wie biegsam sie sind. Die Eigenschaften der Zweige verändern sich im Lauf der Zeit. Sie werden trockener und brüchiger oder auch wieder biegsamer, wenn man sie in den Regen stellt. Ich arbeite lange im Voraus mit Recherchen, ohne Druck, damit ich solche Prozesse verfolgen kann.
Die Weidenzweige sind zum Teil recht lang. Mit welchen Ausmaßen habt Ihr es da zu tun und wie bewältigt Ihr diese beim Tanzen?
Die längsten Weidenzweige passen gerade in die Breite der Tanzhalle Wiesenburg, sind also sechs Meter lang. In der gemeinsamen Bewegung mit den Zweigen geht es viel um Gewichtsverlagerung und darum, zu spüren, wo der eigene Schwerpunkt im Körper ist, um dann beim Greifen den Schwerpunkt unter oder hinter die Hand zu bringen. Wenn man sie sich gut platziert, stimmt die Balance. Wir haben in der Zeit regelmäßig Aikido-Stocktraining gemacht. Und das hat viel zum Verständnis im Umgang mit den Weiden beigetragen.
In einem kürzlich von Dir verfassten Essay erwähnst Du, dass Du beim Arbeiten nichts von ständigem Produzieren und Neukreieren hältst. Dafür spricht auch, dass Du in Deinen Stücken gerne Bewegungssequenzen wiederholst wie etwa in „Turning Solo“ und „Double Porträt“ (2017). Hast Du im Laufe der Jahre für Dich so eine Art Arbeitsphilosophie gefunden und wie würdest Du diese beschreiben?
Ich habe auf jeden Fall etwas, das methodisch angelegt ist und sich durch die Jahre durchzieht. Dazu gehört die Kontinuität im Trainingsansatz und in der Bewegungslehre, die bei mir durch somatische Praxen beeinflusst ist und durch mein tägliches Aikido-Training. Die andere Achse ist die Frage danach, wie etwas sichtbar gemacht wird: wie verliert es sich nicht einfach im Raum oder in tänzerischen Abläufen, sondern wie wird etwas ganz präzise im Raum skulptural – auf eine natürliche Art und Weise, durch Beobachtung von Bewegungsprozessen. Dabei geht es weniger um ein konkretes, willentliches Schauen als um ein ganzheitliches und intuitives, das man in ein eigenes Erkennen einordnen kann und das einem ermöglicht, immer wieder auch Neues zu entdecken. Ich habe auf jeden Fall etwas, das methodisch angelegt ist und sich durch die Jahre durchzieht. Dazu gehört die Kontinuität im Trainingsansatz und in der Bewegungslehre, die bei mir durch somatische Praxen beeinflusst ist und durch mein tägliches Aikido-Training. Die andere Achse ist die Frage danach, wie etwas sichtbar gemacht wird: wie verliert es sich nicht einfach im Raum oder in tänzerischen Abläufen, sondern wie wird etwas ganz präzise im Raum skulptural – auf eine natürliche Art und Weise, durch Beobachtung von Bewegungsprozessen. Dabei geht es weniger um ein konkretes, willentliches Schauen als um ein ganzheitliches und intuitives, das man in ein eigenes Erkennen einordnen kann und das einem ermöglicht, immer wieder auch Neues zu entdecken. Ich habe auf jeden Fall etwas, das methodisch angelegt ist und sich durch die Jahre durchzieht. Dazu gehört die Kontinuität im Trainingsansatz und in der Bewegungslehre, die bei mir durch somatische Praxen beeinflusst ist und durch mein tägliches Aikido-Training. Die andere Achse ist die Frage danach, wie etwas sichtbar gemacht wird: wie verliert es sich nicht einfach im Raum oder in tänzerischen Abläufen, sondern wie wird etwas ganz präzise im Raum skulptural – auf eine natürliche Art und Weise, durch Beobachtung von Bewegungsprozessen. Dabei geht es weniger um ein konkretes, willentliches Schauen als um ein ganzheitliches und intuitives, das man in ein eigenes Erkennen einordnen kann und das einem ermöglicht, immer wieder auch Neues zu entdecken.
Auf typische direkte Interaktion zwischen Performer*innen und Zuschauenden wie man es aus dem Kindertheater kennt, verzichtest Du in Deiner Arbeit für junges Publikum. Was beschäftigt Dich, wenn Du für Kinder choreografierst?
Wir sprechen die Kinder nicht direkt an, das ist richtig. Andererseits war es schon Thema für uns, mit Blicken zu arbeiten und zu schauen, wie es ist, sich über die Kinder zu spiegeln. Wahrscheinlich geht es bei einem kindlichen Publikum darum, nicht selektiv auf es zuzugehen, sondern bei sich zu bleiben und den Raum und die Kinder als Ganzes wahrzunehmen.
Es ist ganz viel Arbeit an der eigenen Erwartungshaltung. Für kleine Kinder ist alles gleich wichtig. Wenn sie während der Vorstellung abhauen und spielen und dann zurückkehren, heißt das nicht, dass das was auf der Bühne geschieht, langweilig ist. Damit muss man erst einmal umgehen. Denn von erwachsenen Zuschauer*innen sind wir das nicht gewohnt
Gehst Du anders an ein Stück heran, wenn Du für Kinder choreografierst?
Ganz wichtig war mir, nicht explizit etwas für Kinder zu machen. Was nicht ganz einfach ist, denn es ist ja eine Auftragsarbeit für Kinder ab drei Jahren. Es war also eine permanente Auseinandersetzung. Ich habe immer wieder beobachtet, wo ich mich zu sehr auf die Kinder ausrichte. Man macht dann gerne etwas Didaktisches oder geht zu verkopft an das Ganze heran, eben zu gewollt. Ich versuche, die Kinder auf dem Schirm zu haben, aber mich da nicht zu sehr einzuengen.
In Deinen Gruppenstücken bleiben alle Tänzer*innen Individuen. Auch wenn sie dieselben Bewegungen vollführen, schimmert immer etwas persönliches hindurch – ohne dass ihre Gesichter besonders präsent wären oder dass Du hier Charaktere hervorkehren würdest. Man erlebt sie in ihrer Gesamtheit, als ganze Körper und aus einer gewissen natürlichen Zurückhaltung heraus.
Das ist genau der Punkt. Ich möchte, dass jeder über die Arbeit an der Bewegung so weit wie möglich, er bzw. sie selbst sein, und auch bei sich sein kann. Ich reagiere relativ allergisch darauf, Dinge zu bespielen oder etwas "draufzusetzen". Wenn sich jemand freut, kommt ein Lächeln oder Lachen zum Vorschein, aus einer inneren Regung oder einer lustigen Situation heraus. Authentizität als etwas, das in der Bewegung verankert ist, spielt für mich eine wichtige Rolle. Mir ist es wichtig, nichts für das Außen zu machen und für die Form. Deswegen versuche ich die Abläufe auch immer recht schnell am Anfang im Prozess zu finden, um damit lange genug und vielschichtig arbeiten zu können. Denn je mehr diese aus dem Kopf sind, weil sie oftmals durchlaufen und automatisiert wurden, desto mehr hat jeder Einzelne die Möglichkeit, im Tun und im Sein zu sein und die Form zu verlassen.
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Die Tanzerin und Choreografn Isabelle Schad studierte zunachst Ballett an der John Cranko Schule in Stuttgart. Nach sechs Jahren in klassischen Ensembles wechselte sie in zeitgenossische Kompanien, u. a. nach Brussel zu Wim Vandekeybus. Ab 1999 initiierte sie eigene Projekte. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen der Korper in seiner Materialitat, Prozesshaftigkeit und Erfahrbarkeit, aber auch das Verhaltnis zwischen Korper, Choreografe und (Re-)Präsentation sowie die Themen Gemeinschaftsbildung und politisches Engagement.