Elisabeth Leopold für die Offensive Tanz für junges Publikum
The Other Body?
Interview mit Raha Nejad
7.04.2020
Elisabeth Leopold für die Offensive Tanz für junges Publikum
7.04.2020
Unser Fachtag "The other body?", veranstaltet von TANZKOMPLIZEN im Rahmen der Offensive Tanz, hätte rassistische Strukturen im Tanz zum Thema gehabt und stand ganz am Anfang der Corona-Zeit. Er war die erste Veranstaltung, die wir absagen und auf unbestimmte Zeit verschieben mussten. Die Kamera, die an diesem 13. März die Keynote Speech von Nora Amin aufzeichnete, fing auch die beeindruckende Tanz-Performance von Raha Nejad inmitten eines leeren Raumes ein (Aufzeichnung oben). Wir nutzten die Gelegenheit, im Anschluss mit der deutsch-persischen Tänzerin und Choreografin per Call zu sprechen.
Raha, wie gehst du mit der aktuellen Situation um, fallen für dich auch gerade viele Jobs weg?
Ich glaube, das ganze Leben fällt gerade weg. Es hat schon vorher begonnen, dass viele Veranstaltungen ausgefallen sind. Aber ich dachte auch, das schaffen wir. Künstler*innen sind ja generell Überlebenskünstler*innen. Es hat mich dann aber doch sehr getroffen, als der Fachtag im Rahmen der Offensive Tanz ausfiel, der für mich persönlich äußerst wichtig war. Es war ein sehr emotionaler, krasser Tag. Die Performance vor dem leeren Raum in der Schillertheater Werkstatt zu machen – ich weiß nicht genau, was es war. Dieses Gefühl ist ja keines, das man kontrollieren kann. Und der jeweilige Song, der gespielt wird, macht auch etwas mit mir.
Du sprichst die Musik an, wie hast du sie ausgewählt?
Das sind die „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi. Ich arbeite generell gerne mit klassischer Musik, habe früher viel Geige und Saxophon gespielt. Musik ist extrem wichtig für mich, vor allem in der Arbeit als Solistin. Die vier Jahreszeiten habe ich wegen ihrer Steigerung ausgewählt. Die „Vier Jahreszeiten” von Vivaldi – Es ist ein trauriges Stück, aber diese Traurigkeit öffnet sich dann, sodass man in die Freiheit gehen möchte. Und so fühlt sich das für mich auch an. Also ganz plakativ gesagt.
Du arbeitest mit vielen unterschiedlichen Tanzrichtungen, bist für deine Vielseitigkeit bekannt. Wie denkst du über diese Einteilungen von Stilen?
Umso mehr sich eine Tänzer*in mit verschiedenen Richtungen auseinandersetzt, desto mehr entwickelt sich auch der eigene Tanz weiter. Als junges Mädchen war es für mich sehr wichtig, alles machen zu können, was ich machen möchte. Man muss sich auch erstmal mit einer Sache auseinandersetzen, um sagen zu können – ok, das habe ich verstanden. Dann gehst du weiter zu etwas anderem. Ich war immer gerne jemand der umherspringt zwischen unterschiedlichen Stilen. Aber HipHop, also urbaner Tanz, das war immer meine Priorität. Und dann ist da natürlich auch mein Background den ich mitbringe, meine Wurzeln. Ich denke, wir alle sind viel zu sehr damit beschäftigt in Boxen zu denken. Und an eine Richtung. Das geht nicht. Es gibt nicht nur eine Richtung.
Du bist auch im Ausbildungskontext tätig, wie vermittelst du Tanz?
Ich unterrichte neben der Arbeit in der Tanzschule, auch am Gymnasium, also in einer Schul-AG. Das ist natürlich etwas ganz anderes. Da kann ich nicht erwarten, dass alle große Künstler*innen werden wollen. Nein, aber ich muss es so vermitteln, dass sie wissen worum es im Tanz geht.
Worum geht es im Tanz (lachen)?
Im Tanz geht es erstmal darum zu verstehen, welches Gefühl der Tänzer / die Tänzerin vermitteln möchte. Um das Offen-Sein und Beobachten, was Tanz mit dir macht.
Offenheit ist ein ganz wichtiges Wort in diesem Kontext.
Ich will etwas weitergeben. Musikalität und die Stilistiken, die es gibt. Sowie den Freiraum, den wir haben, um diese Stilistiken zu vermischen. Das ist es ja auch, was ich den Kindern weitergeben möchte. Das, was du machst – das bist du. Beim Tanzen kreierst du deine eigene Base, dein eigenes Umfeld. Wie du das rüberbringen möchtest, das hast du selbst in der Hand. Tanz bereichert, es ist eine Medizin. Würden wir das in dieser aktuellen Situation gerade nicht haben, wäre das sehr schwer. Künstler*innen haben das Glück, auf etwas zurückgreifen zu können, was Freude im Leben bringt. Das ist viel wert. Auch gerade an so einem Tag, wie dem des ausgefallen Fachtags, als wir von der Schillertheater Werkstatt nach Hause gingen. Ich war sehr traurig. Es war eine Mischung aus Traurigkeit, aber irgendwo auch Zartheit. Aus Traurigkeit und Glücklich-Sein, darüber, dass ich machen darf, was ich mache. Ich habe das Gefühl, dass Künstler*innen auch gerade eine besondere Stimme bekommen, in dieser Situation. Wir leben ja davon uns zu präsentieren und es ist die Kunst, das einfach aussehen zu lassen. Aber da steckt eine ganz andere Arbeit dahinter.
Ich finde schön was du ansprichst, dass es im Tanz vor allem um Offenheit geht. Hängt das für dich auch mit der Bekämpfung von Rassismus im Tanz, der Schule, dem Alltag zusammen?
Ich kann die Offenheit, die Freiheit, die durch Tanz entsteht, dazu nutzen, dass es mir besser geht. Das schützt mich. Ob es sich dabei um Schutz vor Rassismus handelt oder jeglichen anderen Konflikten, die man im Leben hat.
Ich kann nicht vermeiden, dass ich Ausländerin bin. Aber als Künstlerin kann ich ein Statement setzen.
Für mich als Perserin hat Freiheit auch im Spiel mit dem Haar eine ganz wichtige Bedeutung. Denn wir müssen unser Haar bedeckt halten, und gerade damit spiele ich. Ich mache das nicht als Provokation, sondern ich präsentiere mich wie ich bin. Man kommt als Person nach vorne, als Frau, als Südländerin.
Hast du eine Vision vom Tanz? Ein Gefühl, wo es hingehen könnte?
Ich finde, dass wir jetzt gerade Zeit haben darüber nachzudenken wie diese Vision vom Tanz aussehen kann. Es ist eine Pause, in der man reflektieren kann, in welche Richtung man sich entwickeln will. Das ist leichter gesagt als getan. Ich denke, die Vision lautet für viele auch, einfach so weiter zu machen wie bisher, aber vielleicht mit anderen, oder klareren Augen. In der Schillertheater Werkstatt war das für mich ein sehr bewusster Moment. Es war, als tanze ich das letzte Mal für eine lange Zeit.
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