Tanzbotschafterin Mira Hülsmann
Purple Festival: Eine Woche prall gefüllt mit Tanz
Ein Erlebnisbericht
11.03.2024
Tanzbotschafterin Mira Hülsmann
11.03.2024
Eine Woche, in welcher die verschiedensten Tänzer*innen ihre eigenen Tanzstücke dem stetig wechselnden Publikum präsentierten. Kurzum: eine Woche prall gefüllt mit Tanz.
Denn auch Workshops wurden angeboten, sodass selbst ohne professionelle Vorkenntnisse am tänzerischen Austausch teilgenommen werden konnte.
Begonnen hat das Festival zunächst mit der ersten Performance: „Chotto Desh“.
Dieses Stück handelte von einem kleinen Jungen, dargestellt durch den einzigen Tänzer auf der Bühne. Seine Reise führte ihn zunächst von Großbritannien nach Bangladesh, der Heimat seiner Eltern. Dort jedoch hörte sie nicht auf, sondern schien gerade erst zu beginnen.
Zwischen Träumen und Wahrheit hindurch schlängelten sich seine wandelnden Bewegungen, während der Tänzer immer neue Umgebungen erkundete. Erstaunlich dabei war, dass weder der Darsteller noch sein Umfeld sich tatsächlich veränderten. Anstelle dessen aber webten Bilder aus Licht die Geschichte, die der neugierige Junge mit seinem Tanz erzählte.
Verschiedenste Schattierungen aus gräulich-weißem Licht wanderten über die Bühne, ließen Blätter aus imaginären Bäumen sprießen und formten einen Ort der Fantasie.
Lebendig wurde dieser Ort vor allem dadurch, wie sicher sich der Tänzer darin bewegte. Er schien nicht daran zu zweifeln, dass die Wurzeln, über die er kletterte, echte Last im Boden zu verankern hatten. Dass der summende Bienenstock seinen Tod bedeuten konnte und dennoch die süßliche Verlockung unbekannter Abenteuer ihn erwartete.
Seine Bewegungen spielten mit dem Licht, das Licht spielte mit seinen Bewegungen.
Und zusammen waren sie mehr als ein Spiel. Schienen eine wahre Welt zu erschaffen, die auch dadurch noch verstärkt wurde, dass eine Stimme aus den Lautsprechern über die Bühne schallte und dem Klang der Geschichte ihren letzten Schliff verlieh.
Und so hatte jedes der Tanzstücke eine eigene Story zu erzählen.
In verschiedenste Richtungen spannen sich dabei die Fäden und auch ungewöhnliche Requisiten stellten immer wieder einmal den Grundbaustein einer Performance dar. Angefangen bei dem Wrack eines alten Autos, bis hin zu einem Gegenstand, der an die riesenhafte Version eines Babylaufstalls erinnerte.
Der Titel des Stücks ließ schon etwas in diese Richtung vermuten: „Out of the Box.“
Vier Tänzer*innen versuchten, aus ihrem merkwürdigen Gefängnis zu entkommen. Sie waren gefangen und hinderten sich zugleich gegenseitig daran, auszubrechen. Niemand schaffte es, die metallenen Stäbe mehr als ein Stück weit zu erklimmen, bevor sie von jemand Anderem wieder zurück gezerrt wurden. Die Stimmung wandelte rasch zwischen ungestümer Energie und lauernder Verzweiflung, stets darauf aus, dem imaginären Gefängnis zu entkommen.
Oder auch nicht?
Klar war auf jeden Fall, dass das Überwinden der Wände die einzige Möglichkeit zur Flucht darstellte. Und erst als mit einem gewagten Sprung plötzlich jemand zwischen den Stäben hindurch nach draußen gelangte, eröffnete sich für die Anderen die Möglichkeit einer solchen Option. Zuvor war es einfach zu offensichtlich gewesen, um ernst genommen zu werden.
Das Publikum fieberte bei dieser Transformation im gewohnten Denken der Darsteller*innen mit und bald darauf wurden sogar einzelne Kinder mit in den Tanz aufgenommen. Die Tänzer*innen nahmen sie an den Händen und ließen sie an den Stäben emporklettern, sodass sich die Bühne nach und nach mit dem Publikum zu füllen begann. Manche Kinder waren ganz begierig darauf, einmal selbst zum Zuge zu kommen, andere flüstern ihren Eltern ängstlich zu, am Platz bleiben zu wollen.
Um das Mitmachen ging es auch bei den Workshops. Samstag beispielsweise gab es das sogenannte „All Bodies on stage“, einen Tanzworkshop für Menschen mit und ohne körperliche Beeinträchtigungen.
Der den Workshop leitende Tänzer, welcher im Rahmen des Festivals im Gastspiel „KINGX & QWEENS“ getanzt hatte, war selbst auch mit Gehhilfen unterwegs. Diese spielten im Laufe des Workshops immer wieder eine Rolle. Gehhilfen in den Tanz zu integrieren war eine interessante Erfahrung, und generell konnte man sich hier vieles frei erarbeiten und ausprobieren.
In der Gruppe herrschte ein reger Austausch, nicht nur mit Worten, sondern auch durch Tanz. Tatsächlich fanden ganze Gespräche untereinander statt, ohne dass auch nur jemand ein Wort gesagt hätte. Auf diese Weise lernte man einander kennen, und es herrschte eine vertraute Atmosphäre.
Zum Mittag hin gab es ein leckeres Buffet und im Anschluss an den Workshop fand an diesem Tag auch noch ein Dance Battle (Club Oval), inklusive Tanzparty in den Uferstudios statt, wo über 200 Menschen zusammenkamen. Viel Tanz, viel buntes Licht, viel Choreografie mit der richtigen Menge Improvisation. Es ist eine unverwechselbare Stimmung, und doch hält jedes Battle neue Überraschungen bereit - so auch an diesem Tag.
Eine der Gruppen stellte beispielsweise mit ihrem Tanz den Vorgang eines gezeichneten Bildes nach, bei welchem sich die gruselig verknoteten Gliedmaßen langsam entfalteten und der zuckenden Spitze eines Stiftes folgten, nur um gleich darauf wieder mit abgestimmten Bewegungen ausradiert zu werden.
Nachdem das Battle zu Ende war, schloss sich noch eine Party bis Mitternacht an.
Der darauffolgende Tag war der letzte des Festivals. Ein „House Dance Workshop“ stand auf dem Programm, und nach einer theoretischen Einleitung über den Ursprung und die Bedeutung des Tanzstils, ging es erneut ans Tanzen.
Und schon wieder war es eine total neue Erfahrung: kleine Gruppen, in deren Mitte eine Person ihre Dance-skills vorführen konnte, ein langer Tunnel aus Menschen, durch den sich jeweils zwei Tänzer*innen vorwärtsbewegten und dabei das soeben gelernte vorführen konnten.
Diese und andere Übungen haben mir auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht und nachdem sich zum Ende des Workshops hin alle ausgepowert hatten, folgte eine kleine Nachbesprechung.
Dann war der Workshop und mit ihm das diesjährige Festival beendet, aber immerhin war noch ein letzter Rest Nachmittagssonne hinter den Fenstern des Studios hängen geblieben.